Kongress der deutschen Sektion von pax christi in Fulda erfolgreich verlaufen
08. Mai 2006
Europas Stärke ist seine Vielfältigkeit. Das klang als Motto in diesen intensiven und sonnendurchfluteten Fuldaer Tagen immer wieder an. Schon in seinem Eröffnungsvortrag betonte Prof. Thomas Bremer (Uni Münster) die Unmöglichkeit, Europa einfach geografisch, politisch oder kulturell zu definieren: Europa ist ein Prozess; es wird immer gebaut; es hat viele Seelen in sich. Und nur wenn sie alle zum Ausdruck kommen, dann ist es auch die Seele Europas. Es gelte, Europas Vielfalt und auch die Verantwortung anzunehmen, die seine zwiespältige Geschichte für eine Politik der Gerechtigkeit und des Friedens bedeute. (vgl. Bremers Beitrag in pax zeit 1-06) Den Seelen-Begriff mochte Bremer eigentlich gar nicht, bezog sich aber einleitend auf die berühmte Forderung von 1993 Europa eine Seele geben. von Jacques Delors (damals EU-Kommissionspräsident und im letzten Jahr Friedenspreisträger von Pax Christi International), eine Formel, die fast zeitgleich zum Kongress der Titel einer großen Konferenz in Wien war. Die Rede von der Seele Europas war das Leitmotiv der sehr lebhaften und kontroversen Diskussion am ersten Abend, die in ein geplantes pax christi-Memorandum einfließt, das im Herbst vom Präsidium vorgelegt werden soll. Deutlich wurde: pax christi will die Rede von der Seele Europas nicht den Konservativen überlassen, die oft unkritisch vom Christlichen Abendland schwärmen.Die vielfältigen Arbeitsgruppen mit Zugängen zur Identitätsfrage Europas sowie ein Marktplatz mit praktischen Beiträgen zu einem Europa von unten prägten den Samstagvormittag. Der originellste Beitrag war wohl der online-Stand von EuroZine einer Wiener Zeitschriften-Initiative, die europäische Magazine vernetzt (www.eurozine.com). Mehrere Beiträge aus pax christi-Basisgruppen und Bistumsstellen regten kritisch Verbesserungen der EU-Verfassung an. In zwei Podiumsrunden zur Friedenspflicht und zur sozialen Verantwortung Europas diskutierte das Publikum mit VertreterInnen der Pax Christi-Sektionen aus Frankreich und den Niederlanden, wo der Verfassungsentwurf abgelehnt wurde, mit den eigenen Kommissionsvertretern und den politischen Verantwortungsträgern Winfried Nachtwei (MdB, Grüne) und Barbara Weiler (MdEP, SPD). Vizepräsidentin Veronika Hüning führte in den offenen Akademieabend Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (MdB, SPD) mit einem prägnanten Überblick über den inhaltlich randvollen Samstag ein. Dazu wird in der nächsten pax zeit eine Beilage erscheinen.
Die Gottesdienste am Morgen halfen zusammen mit den internationalen Gästen, die Vision eines sozialen, friedensfähigen und demokratischen Europa zu erspüren. Und so war es gar nicht so überraschend, als in der Abschlussrunde mit den beiden Generalsekretären de Jonghe und Voß und den Kommissionssprechern Stefan Leibold (Weltwirtschaft) und Christof Grosse der Vorschlag mit großem Beifall begrüßt wurde, 2008 einen noch viel breiter international angelegten Kongress zu Europa zu planen. Damit würde der Öffentlichkeit und der internationalen Pax Christi-Bewegung seitens der deutschen Sektion ein Geburtstagsgeschenk zu ihrem 60. Jubiläum präsentiert und Etienne de Jonghes Forderung wirklich eingelöst: Ihr müsst aus der nationalen Box heraustreten!
Vizepräsident Johannes Schnettler dankte zum Schluss der Vorbereitungsgruppe und dem Sekretariat von pax christi ebenso wie dem Personal des Bonifatiushauses und seinem Direktor Gunter Geiger und schloss unter Bezug auf Wolfgang Thierse mit der vielleicht wichtigsten Einsicht dieser Tage: Das nationale und das europäische Wohl hängt vom globalen Wohl ab.
Der Beitrag erscheint in der kommenden ausgabe der pax zeit im Juni 2006.